Keine Haftung der BAFin gegenüber Wirecard-Aktionären

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin) haftet Anlegern nicht auf Schadensersatz wegen unzureichender Aufsichtswahrnehmung, da die Aufgaben allein im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat aktuell die landgerichtliche Klageabweisung1 bestätigt, wonach ein Anleger die BAFin nicht wegen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz für erlittene Kursverluste in Anspruch nehmen kann. Im Übrigen war für das Oberlandesgericht eine Verletzung der Bilanzkontrollpflichten im Rahmen des sog. Wirecard-Skandals auch nicht feststellbar.

Im hier entschiedenen Fall kaufte klagende Anleger in den Jahren 2019 und 2020 Aktien der Wirecard AG. Er nimmt die BAFin wegen behaupteter Aufsichts- und Informationsversäumnisse sowie Amtsmissbrauch auf Schadensersatz für die erlittenen Kursverluste in Anspruch. Die 1999 gegründete Wirecard AG unterlag der Finanzaufsicht der BAFin. Im April 2020 gab ein vom Aufsichtsrat der Wirecard AG beauftragter Sonderprüfer bekannt, dass über die Existenz eines Bankguthabens auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. € keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen gewesen seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Anleger stünde kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die BAFin zu, bestätigte das OLG.

Die BAFin habe nicht gegen die ihr obliegenden Amtspflichten bei der Bilanzkontrolle verstoßen. Nach damaliger Rechtslage erfolgte die Bilanzkontrolle in einem zweistufigen System: zunächst durch eine private Prüfstelle und danach durch eine staatliche Instanz (die BAFin). Die BAFin habe dieses System eingehalten und im Februar 2019 eine Sonderprüfung durch eine private Prüfstelle veranlasst. Der Anleger habe keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme vorgetragen, dass die BAFin bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine solche Sonderprüfung hätte beauftragen müssen. Ebenso habe der Anleger keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die BAFin die Prüfstelle nicht hinreichend überwacht habe oder wegen erheblicher Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung die Prüfung hätte an sich ziehen müssen. Im Übrigen fehle es am Verschulden der BAFin. Es sei schließlich nicht feststellbar, dass der Schaden des Anlegers bei einem früheren Einschreiten der BAFin nicht eingetreten wäre.

Einem Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung stehe zudem entgegen, dass die BAFin bei der Wahrnehmung der Bilanzkontrolle allein im öffentlichen Interesse tätig werde. Der einzelne Anleger werde grundsätzlich nicht durch die bankaufsichtsrechtliche Tätigkeit der BAFin geschützt. Der Oberlandesgericht halte auch unter Berücksichtigung jüngster Rechtsprechung des EuGH und der Transparenz-Richtlinien an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach Schadensersatzansprüche Dritter gegen die BAFin, etwa wegen unzureichender Aufsichtstätigkeit ausgeschlossen seien.  

Der Anleger könne auch nicht wegen Amtsmissbrauchs Schadensersatz verlangen. Es sei kein amtsmissbräuchliches Verhalten der Mitarbeiter der BAFin feststellbar. Dass Mitarbeiter Aktien der Wirecard AG besessen hätten, sei nicht sittenwidrig. Die von der BAFin seit 2019 ergriffenen Maßnahmen seien pflichtgemäß erfolgt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Beschlüsse vom 28. November 2022 – und 06. Februar 2023 – 1 U 173/22

  1. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.0.2022 – 2-10 O 60/20[]