Sollzinssatz für Überziehungskredite – und seine Angabe in auffallender Weise

Wann ist der Sollzinssatz für Überziehungskredite auf der Internetseite einer Bank „in auffallender Weise“ im Sinne des Art. 247a § 2 Abs. 2 und 3 EGBGB angegeben? Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen.

Im entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die Darstellung der Sollzinssätze für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten und für geduldete Überziehungen auf der Internetseite der Bank gegen Art. 247a § 2 Abs. 2 und 3 EGBGB verstößt, weil die Sollzinssätze nicht in auffallender Weise angegeben sind.

Das gilt für die Darstellung der Sollzinssätze auf der Internetseite der Bank sowohl in den Konditionsangaben als auch in dem Preisaushang.

Nach Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist der Sollzinssatz in den nach Absatz 1 dieser Vorschrift zur Verfügung zu stellenden Informationen über Entgelte und Auslagen für die Einräumung von Überziehungsmöglichkeiten klar, eindeutig und in auffallender Weise anzugeben. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass der Sollzinssatz in entsprechender Weise auch im Internetauftritt des Unternehmers anzugeben ist, wenn dieser, wie hier, über einen solchen Auftritt verfügt. Gleiches gilt für die Angabe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen (Art. 247a § 2 Abs. 3 EGBGB).

Vorgaben für eine konkrete Bezeichnung des Dokuments, in dem die geschuldeten Informationen über Entgelte und Auslagen zur Verfügung zu stellen sind, bestehen nach Art. 247a § 2 Abs. 1 EGBGB nicht1. Zu den Informationen in diesem Sinne gehören was die Revision nicht in Zweifel zieht sowohl die Angaben in den Konditionsangaben als auch die Angaben im Preisaushang auf der Internetseite der Bank. Beide Informationen müssen den Anforderungen des Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 EGBGB genügen2. Das ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber mit dieser Vorschrift verfolgten Anliegen, Preistransparenz zu schaffen und interessierten Verbrauchern unabhängig von Ladenöffnungszeiten zu ermöglichen, verschiedene Angebote von Überziehungsmöglichkeiten zu vergleichen und sich einen Marktüberblick zu verschaffen3. Die Erreichung dieses Anliegens wäre gefährdet, wenn die Sollzinssätze nur in einer der beiden Informationen in auffallender Weise angegeben werden müssten. Denn in diesem Fall wäre nicht gewährleistet, dass der Verbraucher, der sich einen Marktüberblick verschaffen möchte, auf der Internetseite der Bank gerade jene Information aufruft, in der die Sollzinssätze in auffallender Weise angegeben sind.

Das Merkmal „in auffallender Weise“ in Art. 247a Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist dahin auszulegen, dass der Sollzinssatz in den nach Absatz 1 dieser Vorschrift geschuldeten Informationen über Entgelte und Auslagen gegenüber den weiteren in den Informationen enthaltenen Angaben hervorzuheben ist.

Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht in seinem Berufungsurteil zutreffend davon ausgegangen, dass bereits der Wortlaut des Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB („in auffallender Weise“) für ein solches Verständnis spricht4. Die Revision meint zu Unrecht, mit dem Begriff „auffallend“ könne mangels einer vergleichenden Komponente nicht „hervorgehoben“ gemeint sein. In dem hier vorliegenden Kontext soll allein die Information über den Sollzinssatz „in auffallender Weise“ in den Informationen über Entgelte und Auslagen dargestellt werden. Eine solche Darstellung ist nur zu erreichen, wenn sich die Angabe des Sollzinssatzes von den weiteren in der Information enthaltenen Angaben in ihrer Darstellung so unterscheidet, dass sie dem Verbraucher ins Auge fällt. Nur dann ist die Angabe des Sollzinssatzes nach dem allgemeinen Sprachverständnis „auffallend“. Hierfür muss sie sich von den weiteren in den Informationen enthaltenen Angaben abheben. Vor dem Hintergrund dieses Wortlautverständnisses, das im Schrifttum nahezu einhellig geteilt wird5, verfängt auch der Einwand der Bank nicht, die Auslegung des Berufungsgerichts überschreite den Wortlaut des Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB.

Die Gesetzesmaterialien unterstützen das Ergebnis der am Wortlaut orientierten Auslegung. Soweit es in diesen6 heißt, dass die Angabe nicht lediglich im Kleingedruckten oder in einer Fußnote enthalten sein dürfe, leitet die Revision hieraus unzutreffend ab, dass es dem Gesetzgeber nur darum gegangen sei, sicherzustellen, dass der Verbraucher (auch) den Sollzinssatz leicht und übersichtlich wahrnehmen könne. Der Gesetzgeber hat in der Begründung vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass die Information über die Höhe des für Überziehungsmöglichkeiten berechneten Sollzinssatzes „hervorgehoben anzugeben“ ist7. Damit hat er die besondere Bedeutung des Sollzinssatzes für den Verbraucher betont.

Zudem erfordert auch der mit der Regelung des Art. 247a § 2 EGBGB verfolgte Zweck, Verbrauchern einen besseren Vergleich der Angebote über Dispositionskredite zu ermöglichen, dass der Sollzinssatz so angegeben wird, dass er die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf sich zieht. Der Sollzinssatz stellt den Preis für die Inanspruchnahme eines Überziehungskredits durch den Verbraucher dar. Anlass für die Schaffung der Vorschrift war die fehlende Transparenz bei den Angeboten von Überziehungskrediten8. Die Regelung soll Verbrauchern eine bessere Vergleichbarkeit der Konditionen der am Markt angebotenen Überziehungskredite ermöglichen6 und damit für Preistransparenz auf diesem Markt sorgen9. Sie soll zudem zusammen mit der Vorschrift des § 504a BGB zu einem besseren Schutz von Verbrauchern vor einer Überschuldung im Rahmen von Dispositionskrediten beitragen10. Dieser gesetzgeberische Wille hat mit der Formulierung, dass der Sollzinssatz für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten und für geduldete Überziehungen klar, eindeutig und „in auffallender Weise“ anzugeben ist, im Wortlaut des Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 111 EGBGB seinen Niederschlag gefunden.

Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Auslegung entgegen der Meinung der Bank zu Recht auch auf die Gesetzesbegründung zu § 6a PAngV in der bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) gestützt12. Danach ist eine Information „auffallend“, wenn sie „in besonderer Weise gegenüber anderen Informationen optisch, akustisch oder sonst wahrnehmungsfähig hervorgehoben“ wird13. Dass dem Ausdruck in Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB keine hiervon abweichende Bedeutung zukommt, ergibt sich zum einen aus der kumulativen Verwendung derselben Adjektive (klar, eindeutig und auffallend), die sich sowohl in § 6a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAngV als auch in Art. 247a § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auf die Angabe des Sollzinssatzes beziehen. Zum anderen ist dies auch daraus abzuleiten, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU14, dessen Entwurf zunächst auch die Regelung des Art. 247a § 2 EGBGB umfasste, die bisher in § 6a Abs. 1 PAngV aF enthaltene Formulierung „in klarer, verständlicher und auffallender Weise“ durch den Ausdruck „in klarer, eindeutiger und auffallender Art und Weise“ in § 6a Abs. 2 Satz 1 PAngV ersetzt und dadurch eine begriffliche Übereinstimmung der beiden Vorschriften hergestellt hat15.

Auch der weitere Einwand der Bank, der Gesetzeswortlaut differenziere in § 6a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PAngV zwischen den Begriffen „auffallend“ und „hervorzuheben“, so dass die Begriffe nicht gleichbedeutend sein könnten und eine besondere Hervorhebung des Sollzinssatzes gegenüber anderen Angaben nicht erforderlich sei, verfängt nicht. Mit dem Komparativ „mindestens genauso hervorzuheben wie“ in § 6a Abs. 2 Satz 2 PAngV wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der in dieser Vorschrift in Bezug genommene effektive Jahreszins in der Werbung mindestens in gleicher Art und Weise anzugeben ist wie die in Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift genannten Zinssätze. Das bedeutet, dass der effektive Jahreszins in der Werbung mindestens in gleicher Größe, Schriftart, Gestaltungsweise und an ähnlich exponierter Stelle dargestellt werden muss wie die anderen Zinssätze16. Ein qualitativer Unterschied in der Art und Weise der Darstellung ist mit den Begriffen „auffallend“ und „hervorzuheben“ in § 6a Abs. 2 PAngV daher nicht verbunden.

Gemessen an dem vorstehenden Maßstab hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Sollzinssätze auf der Internetseite der Bank in den Konditionsangaben und in dem Preisaushang nicht in auffallender Weise angegeben sind. Die Höhe der Sollzinssätze ist in beiden Fällen in keinerlei Hinsicht optisch oder sonst wahrnehmungsfähig gegenüber den weiteren Angaben in den Informationen hervorgehoben, so dass dem Verbraucher die Angaben zu den Sollzinssätzen nicht ins Auge fallen.

Für eine Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV besteht kein Anlass. Entscheidungserhebliche Fragen des Unionsrechts stellen sich nicht. Art. 247a § 2 EGBGB regelt ausschließlich allgemeine Informationspflichten bei Überziehungsmöglichkeiten und bei Entgeltvereinbarungen für die Duldung von Überziehungen. Derartige Informationspflichten fallen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie17. Denn diese regelt keine allgemeinen Informationspflichten, sondern im Rahmen einer Vollharmonisierung vorvertragliche Informationspflichten, die im Zusammenhang mit dem Abschluss eines konkreten Darlehensvertrages stehen18 und Standardinformationen, die in die Werbung aufzunehmen sind (Art. 4 Verbraucherkreditrichtlinie) sowie unter anderem Informationen und Rechte aus Kreditverträgen (Art. 10 ff. Verbraucherkreditrichtlinie). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht daher im Hinblick auf die allgemeinen Informationspflichten nach Art. 247a § 2 EGBGB keine Kollision mit den Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie. Gleiches gilt entgegen der Meinung der Bank auch im Hinblick auf die Regelung des Art. 11 Abs. 2 Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Diese Vorschrift, die durch § 6a PAngV in nationales Recht umgesetzt ist, befasst sich mit den Standardinformationen, die in die Werbung für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen aufzunehmen sind und nicht mit den hier im Streit stehenden allgemeinen Informationspflichten nach Art. 247a § 2 EGBGB. Wie nationale Vorschriften auszulegen sind, die, wie Art. 247a § 2 EGBGB, nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist, fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte19.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Juni 2021 – XI ZR 19/20

  1. vgl. BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, Stand: 01.05.2019, Art. 247a § 2 EGBGB Rn. 21 „beispielsweise der Preisaushang“[]
  2. aA BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, aaO[]
  3. vgl. BT-Drs. 18/5922, S. 110[]
  4. vgl. BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, Stand: 01.05.2019, Art. 247a § 2 EGBGB Rn.19; Jungmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl., § 81c Rn. 27; Rott in Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, 3. Aufl., § 16d Rn. 220; aA Wösthoff, EWiR 2020, 227, 228[]
  5. BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, aaO; Jungmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, aaO; Rott in Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, aaO; aA nur Wösthoff, aaO[]
  6. BT-Drs. 18/5922, S. 110[][]
  7. BT-Drs. 18/5922, S. 109; BT-Drs. 18/7584, S. 148[]
  8. vgl. BT-Drs. 18/5922, S. 109; BT-Drs. 18/2741, S. 3; BT-Drs. 18/1342, S. 3[]
  9. vgl. MünchKommBGB/Weber, 8. Aufl., Art. 247a § 2 EGBGB Rn. 1; BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, Stand: 01.05.2019, Art. 247a § 2 EGBGB Rn. 3[]
  10. vgl. BT-Drs. 18/6286, S. 25; Erman/Nietsch, BGB, 16. Aufl., § 504a Rn. 1; Krüger, BKR 2016, 397, 398[]
  11. i.V.m. Abs. 3[]
  12. vgl. BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, Stand: 01.05.2019, Art. 247a § 2 EGBGB Rn.19[]
  13. BT-Drs. 16/11643, S. 143[]
  14. Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.02.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010[]
  15. vgl. BT-Drs. 18/5922, S. 109 und S. 132 ff.[]
  16. vgl. BeckOK UWG/Barth, 12. Edition, Stand: 01.05.2021, § 6a PAngV Rn. 14[]
  17. BT-Drs. 18/5922, S. 110; BeckOGK BGB/Gerlach/Kuhle/Scharm, Stand: 01.05.2019, Art. 247a § 2 EGBGB Rn. 6; MünchKommBGB/Weber, 8. Aufl., Art. 247a § 2 EGBGB Rn. 1[]
  18. vgl. zum Sollzinssatz ausdrücklich Erwägungsgrund 32 Verbraucherkreditrichtlinie; vgl. auch die Erwägungsgründe 23, 25, 26, 27, 30, 31, 32 sowie Art. 5 und 6 Verbraucherkreditrichtlinie[]
  19. EuGH, WM 2020, 688 Rn. 31 – Kreissparkasse Saarlouis; BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 581/18, ZIP 2020, 868 f.[]