Unvollständige Angaben im „informer“ eines Online-Brokers

Sowohl gesetzliche als auch richterrechtliche Ansprüche aus Prospekthaftung setzen voraus, dass der Kläger einen Prospekt erhalten hat. Prospekt in diesem Sinne ist eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt.

Sie muss dabei tatsächlich oder zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein1.Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beschreibung einer Anleihe in dem „informer“ einer Direktbank, die nicht im Ansatz den Anschein erweckt, die Anlage umfassend zu beschreiben, ersichtlich kein Prospekt.

In dem hier vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall ergab sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Direktbank, dass sie ihren Kunden keine Beratung anbietet, sondern nur deren Aufträge ausführt („execution only“). Die Bank stellt ihren Kunden im Internet einen sogenannten „informer“ zur Verfügung. Auf dieser Internetseite findet sich eine Suchmaske, mit deren Hilfe die Kunden Informationen zu ca.01.170.000 Wertpapieren abfragen können. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Nutzung dieses „informers“ erklärt die Bank, keine Gewähr für Vollständigkeit, Richtigkeit oder Genauigkeit der Informationen zu übernehmen. Ferner schloss und schließt die Bank in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Haftung für einfache Fahrlässigkeit aus.

Der Kläger, ein Kunde der beklagten Discountbank, nutzte den „informer“. Er fand dort eine Information zu einer Anleihe der – C-bank AG AAL Classic 11.12 XXX, in der es unter anderem heißt: „Rückzahlungskurs: 100 Prozent.“ Diese Anleihe konnte der Emittent, also die – C-bank AG, unter bestimmten Bedingungen nicht in Geld, sondern in Aktien zurückzahlen; ein Hinweis darauf findet sich in der Beschreibung auf dem „informer“ nicht.Der Kläger erwarb am 23.06.2011 und am 26.06.2011 über die Beklagte jeweils die vorgenannten Anleihen im Nennbetrag von jeweils 20.000 Euro. Bei Ende der Laufzeit der Anleihe löste der Emittent die Anleihe durch Lieferung von 11.080 Aktien ein.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgerichts verneinte einen Anspruch des Bankkunden gegen die Discountbank auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus einem im Rahmen eines Anlagevermittlungsverhältnisses geschlossenen Auskunftsvertrages zu (§ 280 Abs. 1 BGB). Zwischen den Parteien ist kein Auskunftsvertrag zustande gekommen.

Ein derartiger Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen kommt im Rahmen der Anlagevermittlung stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind2.

Vorliegend fehlt es an einem Angebot der Direktbank auf Abschluss eines derartigen Auskunftsvertrages. Die Auslegung des „informers“ der Bank von einem objektivierten Empfängerhorizont her ergibt, dass die dort erteilten Auskünfte ersichtlich nicht abschließend sein sollen und die Bank für die Richtigkeit der dort niedergelegten Informationen zu über 1 Mio. Anlagen ersichtlich nicht haften will. Das ergibt sich insbesondere aus den Passagen der Nutzungsbedingungen, in denen die Bank deutlich macht, für die Richtigkeit der Informationen keine Gewähr zu übernehmen.

Da es insoweit bereits an einem Auskunftsvertrag fehlt, kommt es auf das Verschulden nicht an.

Die Bank haftet ihrem Kunden auch nicht wegen der Verletzung einer Warnpflicht aus dem zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag.

Eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) besteht nach den Umständen des Einzelfalls dann, wenn der Discount-Broker, hier also die Beklagte erkennt, dass die Aufträge des Kunden von dessen zuvor erklärten Zielvorstellungen deutlich abweichen, wenn für ihn klar erkennbar ist, dass Tragweite und Risiko des Auftrags falsch eingeschätzt werden oder wenn der Discount-Broker eine tatsächlich bestehende Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden erkennt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat3. Diese Voraussetzungen liegen allesamt nicht vor.

Der Erwerb der Anleihe wich nicht von den zuvor erklärten Zielvorstellungen des Bankkunden ab. Er hatte sich in den Risikoerfassungsbogen der Bank in die Risikostufe fünf von sechsen eingeordnet. Hierzu passt der Erwerb der Anleihen.

Dass für die Bank klar erkennbar gewesen wäre, dass der Anleger Tragweite und Risiko der Anleihe falsch einschätzte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Bank verkannte auch die tatsächlich bestehende Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden über die Rückzahlungsmodalitäten der Anleihe nicht aufgrund grober Fahrlässigkeit. Zwar behauptet der Anleger insoweit, die Bank habe die unzureichende oder gar falsche Information in dem „informer“ grob fahrlässig zu verantworten. Damit trägt er aber nicht vor, dass sie die unrichtige Darstellung in dem „informer“ bei Ausführung des Auftrags grob fahrlässig nicht bemerkte. Eine Verpflichtung der Bank, vor Ausführung des Auftrags ihre eigenen Informationen zu der in Rede stehenden Anlage in dem „informer“ zu überprüfen, besteht nicht. Doch selbst wenn eine derartige Verpflichtung bestünde, hätte die Bank sie nicht grob fahrlässig verletzt. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Bankkunde trägt keine Umstände vor, die für grob fahrlässiges Verhalten der Bank – bei Ausführung des Auftrags – sprechen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste4. Ein derartiges Fehlverhalten der Bank ist vorliegend nicht zu erkennen. Denn die Vielzahl von über 1 Mio. Informationen zu verschiedenen Anlagen lässt sich von vornherein und von jedermann nicht sicher überblicken.

Schleswig -Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. Juni 2014 – 5 U 67/14

  1. BGH, Urteil vom 7.11.2011 – III ZR 103/10, Rn. 21[]
  2. BGH, Urteil vom 25.10.2007 – III ZR 100/06, Rn.7[]
  3. BGH, Urteil vom 19.03.2013 – XI ZR 431/11, Rn. 25[]
  4. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. § 277 Rn. 5[]