Wirecard – und die Amtshaftung der BaFin

Das Landgericht Frankfurt am Main hat  in vier Verfahren über Klagen von Anlegern der Wirecard-Aktien gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verhandelt – und die Klagen abgewiesen.

Die geschädigten Wirecard-Aktionäre hatten mit ihren Klagen Schadensersatz in unterschiedlicher Höhe von der BaFin verlangt. Sie waren der Meinung, die beklagte Bundesanstalt habe die Marktmanipulationen von Wirecard nicht verhindert und die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert. Außerdem hätten Bedienstete der BaFin ihr Amt missbraucht.

Das Landgericht Frankfurt am Main verneinte einen Amtshaftungsanspruch der Aktionäre gegen die BaFin; eine Amtshaftung sei ausgeschlossen, weil die BaFin keine einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt habe. Die Anleger zählten nicht zu dem Personenkreis, dessen Belange nach den rechtlichen Bestimmungen des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes geschützt werden sollten. Danach werde die BaFin nur im öffentlichen Interesse tätig, nicht aber im Individualinteresse der Kapitalanleger. Der einzelne Anleger werde durch die bankenaufsichtsrechtliche Tätigkeit der BaFin lediglich mittelbar als reflexartige Folgewirkung der im öffentlichen Interesse beaufsichtigten Unternehmen geschützt, erklärten das Landgericht unter Verweis auf eine bereits bestehende und gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung.

Die Wirecard-Anleger könnten sich auch nicht mit Erfolg auf einen Amtsmissbrauch der BaFin berufen, und zwar selbst wenn einzelne Mitarbeiter der Behörde ihrerseits Wirecard-Aktien erworben hatten. Ein Amtsmissbrauch erfordere ein besonders verwerfliches Verhalten, das von sachfremden, rein persönlichen Motiven getragen werde. Allein der Umstand, dass Mitarbeiter der BaFin Aktien der Wirecard AG besessen und mit diesen gehandelt hatten, vermöge ein sittenwidriges Verhalten nicht zu begründen. Zudem sei nicht ersichtlich, dass diese Mitarbeiter nicht an dem Wertverfall der Aktien teilgenommen haben.

Schließlich scheiterten die Klagen auch daran, dass die geschädigten Anleger möglicherweise auf andere Weise Ersatz für ihre Vermögenseinbußen erlangen können. Bei einem nur fährlässigen Handeln seien Amtshaftungsansprüche der Behörde nämlich subsidiär, sodass die klagenden Wirecard-Anleger zunächst anderweitige Ersatzmöglichkeiten hätten ausschöpfen müssen. In Betracht kämen Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder der Wirecard AG. Dass ein Vorstand unbekannten Aufenthalts sei, stehe einer Klage nicht entgegen, denn es bestehe die Möglichkeit einer sog. öffentlichen Zustellung einer gegen ihn gerichteten Klage. Es sei auch nicht vorgetragen, dass im Inland kein Vermögen der Vorstände mehr vorhanden sei. Jedenfalls komme als Ersatzmöglichkeit aber die Inanspruchnahme der vormaligen Abschlussprüfer der Wirecard AG in Betracht.

Landgericht Frankfurt am Main, Urteile vom 19. Januar 2022 – 2 -04 O 65/21 – 2 -04 O 531/20 – 2 -04 O 561/20 – 2 -04 O 563/20