Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge jährlich bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB auch dann nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, wenn sich die jährliche Sparrate nach jeweils 12 Monaten um einen festen Prozentsatz erhöht1.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall begehrt der klagende Sparer die Feststellung des Fortbestandes eines mit der beklagten Sparkasse geschlossenen Sparvertrags mit variabler Verzinsung. Die Vereinbarung war als Zusatzvereinbarung („S-Prämiensparen flexibel“) zu einem Sparkonto ausgestaltet. Der Zinssatz betrug zunächst 3, 750 %. Zusätzlich wurde von der Sparkasse jährlich, erstmals am 20.05.2004, auf die im abgelaufenen Sparjahr vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen eine verzinsliche S-Prämie gemäß einer vereinbarten, von 4% auf 50% anwachsende Prämienstaffel vergütet. Über das Guthaben konnte der Sparer nach Kündigung und Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist innerhalb eines Monats vorschußzinsfrei verfügen. Nach 25 Jahren sollte das Guthaben als Spareinlage mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zu dem dann geltenden Zinssatz weitergeführt werden. Unter Hinweis auf das Negativzinsumfeld kündigte die Sparkasse mit Schreiben vom 24.02.2022 den Sparvertrag mit Wirkung zum 31.05.2022.
Der Sparer hat begehrt festzustellen, dass der Sparvertrag über den 31.05.2022 hinaus bis längstens zum 20.05.2026 fortbestehe, wenn er nicht vorher vom Sparer gekündigt werde.vom 06.11.2023 – 1 S 74/23 Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Trier hat der Klage stattgegeben2. Die Berufung der Sparkasse hatte vor dem Landgericht Trier keinen Erfolg3. Dagegen sah der Bundesgerichtshof die Kündigung als wirksam an und wies nun auf die Revision der Sparkasse die Klage ab:
In zeitlicher Hinsicht ist auf den im Mai 2001 abgeschlossenen Sparvertrag gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB im Grundsatz das Bürgerliche Gesetzbuch in der am 1.01.2003 geltenden Fassung anzuwenden4.
Der Sparvertrag unterliegt dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und damit § 700 BGB.
Die Abgrenzung zu einem Darlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) hat anhand des vertraglichen Pflichtenprogramms zu erfolgen. Voraussetzung für einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, dass vertretbare Sachen in der Art hinterlegt werden, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren. Insoweit ist der unregelmäßige Verwahrungsvertrag im Grundsatz einseitig verpflichtend. Der Hinterleger geht keine Verpflichtung zur Hinterlegung ein; ihm kommt es in der Regel in erster Linie auf eine sichere Aufbewahrung der überlassenen Sache und daneben auf die jederzeitige Verfügbarkeit darüber an. Eine unregelmäßige Verwahrung scheidet daher aus, wenn der Sparer zur Erbringung der Spareinlage verpflichtet sein soll; denn die Verpflichtung, einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, ist gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB die vertragstypische Pflicht des Darlehensgebers bei einem Darlehensvertrag5.
Nach diesen Maßgaben ist der Sparvertrag als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren, weil sich der Sparer gegenüber der Sparkasse nicht zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge verpflichtet hat.
Bei dem Vertragsformular handelt es sich um einen Vordruck der Sparkasse und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Bundesgerichtshof selbst auslegen kann6. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Kreise verstanden werden7.
Wie der Bundesgerichtshof bereits für vergleichbare Sparverträge entschieden hat, lässt sich dem Wortlaut des Vertragsformulars keine Pflicht zur Zahlung des monatlichen Sparbeitrags entnehmen. Die Formulierung „Der Sparer wird ab dem 30.04.2001 monatlich Sparbeiträge […] einzahlen.“ enthält eine solche Verpflichtung nicht; eine solche wäre auch nicht interessengerecht8. Außerdem waren für den Sparer auch Teilverfügungen über das Guthaben jederzeit zulässig.
Der Sparkasse stand nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB zu9. Das Recht zur ordentlichen Kündigung aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB war (lediglich) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, jedoch nicht darüber hinaus.
Der Sparvertrag ist auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffel und der weiteren vertraglichen Bestimmungen, die der Bundesgerichtshof als Allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann, dahin zu verstehen, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem Zeitpunkt ist für die Sparkasse das ordentliche Kündigungsrecht nach § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB bzw. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausgeschlossen.
Für Prämiensparverträge mit einer vertraglich vereinbarten Prämienstaffel bis zum 15. Sparjahr hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass diesen ein konkludenter zeitlich befristeter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu entnehmen ist10. Dies hat er mit dem besonderen Bonusanreiz begründet, den die beklagte Sparkasse mit der vereinbarten Prämienstaffel gesetzt hat. Die Sparkasse soll dem Sparer den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien nicht jederzeit durch eine ordentliche Kündigung entziehen können11. Demgegenüber kann ein Sparer trotz der unbefristeten Laufzeit des Vertrags redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll12. Für das ordentliche Kündigungsrecht aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB gilt dies gleichermaßen.
Diese Erwägungen treffen für die streitgegenständliche Prämienstaffel ebenfalls zu. Die auf die Jahressparleistung von der Sparkasse gewährte jährliche Prämie steigt nach dem dritten bis zum Ablauf des 15. Sparjahres fortlaufend bis auf 50% an. Den dadurch gesetzten besonderen Sparanreiz darf die Sparkasse nicht enttäuschen, indem sie dem Sparer den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien vor Erreichen der Höchststufe durch eine ordentliche Kündigung entzieht.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Trier haben die Parteien dagegen einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts nicht vereinbart.
Etwas anderes ergibt sich – was das Landgericht Trier noch zutreffend erkannt hat – zunächst nicht aus der Angabe „Dauer der Zusatzvereinbarung: max. 25 Jahre“. Hiermit ist – was bereits aus dem Wortlaut folgt – keine Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden13. Soweit in Nummer 4 Satz 2 und 3 der Zusatzvereinbarung Regelungen bei Ablauf der Zusatzvereinbarung getroffen werden, betreffen diese nur die Rechtsfolgen im Fall einer Fortführung des Sparkontos über 25 Jahre hinaus und im Fall von Teilverfügungen vor Ablauf der Zusatzvereinbarung. Sie enthalten dagegen keine Regelung zum ordentlichen Kündigungsrecht der Sparkasse.
Anders als das Landgericht Trier meint, begründet aber auch die Dynamisierung der Sparbeiträge keinen besonderen Sparanreiz, der es rechtfertigen könnte, von einem konkludenten Ausschluss des Kündigungsrechts bis zum Erreichen der Maximallaufzeit des Prämiensparvertrags von 25 Jahren auszugehen. Der mit der Prämienstaffel gesetzte besondere Sparanreiz endet mit dem Erreichen der höchsten Prämienstufe14 und wird nicht durch die Dynamisierung der Sparbeiträge verlängert15. Die mit der fortlaufenden Erhöhung der Sparbeiträge einhergehende Steigerung der daran gekoppelten Prämienhöhe steht dem Anstieg, der das Durchlaufen der Prämienstufen kennzeichnet, nicht gleich. Denn das Verhältnis der Prämien zur jeweiligen Jahressparleistung bleibt ab Erreichen der Höchststufe mit oder ohne Dynamisierung unverändert. In beiden Fällen steigt die Sparprämie bis zum 15. Sparjahr prozentual an und bleibt danach prozentual gleich16.
Die Kündigung ist im hier entschiedenen Fall erst für die Zeit nach dem Ablauf des 15. Sparjahres und der Auslauffrist von drei Monaten erklärt worden.
Die tatbestandliche Kündigungsvoraussetzung eines sachgerechten Grundes lag im Zeitpunkt der Kündigungserklärung mit dem veränderten Zinsumfeld vor, das sich zwar nicht wegen des variablen Zinssatzes negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, es aber der Sparkasse erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen17.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Oktober 2024 – XI ZR 214/23
- Fortführung BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74[↩]
- AG Trier, Urteil vom 16.05.2023 – 6 C 39/23[↩]
- LG Trier, Urteil vom 06.11.2023 – 1 S 74/23, WM 2024, 173[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 22[↩]
- BGH, Urteile vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 26 mwN; vom 25.07.2023 – XI ZR 221/22, BGHZ 238, 47 Rn. 24; vom 17.10.2023 – XI ZR 72/22, WM 2023, 2137 Rn.20; vom 14.11.2023 – XI ZR 88/23, WM 2024, 69 Rn. 32; und vom 14.05.2024 – XI ZR 51/2319[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 28 mwN; und vom 25.07.2023 – XI ZR 221/22, BGHZ 238, 47 Rn. 26[↩]
- BGH, Urteil vom 25.07.2023 aaO mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 29 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2024 – XI ZR 38/23 3 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 38 ff.[↩]
- BGH, Urteil aaO Rn. 39[↩]
- BGH, Urteil aaO Rn. 41 f.[↩]
- vgl. BGH, Verfügung vom 18.01.2022 – XI ZR 104/21 3[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 39; und vom 17.10.2023 – XI ZR 72/22, WM 2023, 2137 Rn. 34[↩]
- vgl. OLG Koblenz, WM 2024, 1421, 1423; Dahmen, GWR 2024, 80; Kalisz, WuB 2024, 77, 80[↩]
- vgl. BGH, Verfügung vom 18.01.2022 – XI ZR 104/21 3 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 46[↩]