Schadensersatz für eine Indexanleihe

Eine auf einen Basiswert bezogene Schuldverschreibungen emittierende international tätige Bank, gegen die Ansprüche aus Prospekthaftung verjährt sind, haftet ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht wegen einer entgegen den Verlautbarungen im Prospekt unzureichenden Überprüfung des Basiswerts.

Ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das nach ausschließlicher Bezugnahme der Parteien im Rechtsstreit auf deutsche Rechtsvorschriften gemäß Art. 42 Satz 1 EGBGB deutsches Sachrecht anzuwenden wäre1 – der zeitliche Anwendungsbereich der Rom-II-VO2 ist nach deren Art. 31 f. im hier entschiedenen Fall nicht eröffnet – und aus dem Prüfpflichten zugunsten des Anlegers resultierten, kommt allein durch die Kundgabe von Informationen einer international tätigen Bank in einem der Emission von Schuldverschreibungen zugrunde liegenden Basisprospekt und Konditionenblatt mit Folgeerwerbern dieser Schuldverschreibungen nicht zustande. Die Kundgabe kann entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung auch nicht in Anlehnung an die Grundsätze einer (wiederum deliktsrechtlich anzuknüpfenden)3 Testathaftung zu Ansprüchen der Folgeerwerber von Schuldverschreibungen gegen die emittierende Bank führen. Eine besondere berufliche oder wirtschaftliche Stellung vermag, wenn zur Veröffentlichung eines Prospekts weitere Umstände nicht hinzutreten, allenfalls ein typisiertes Vertrauen als Garant für einen Prospekt zu begründen4. Dieses Vertrauen wird ausschließlich durch spezialgesetzliche bzw. Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne geschützt5, weil ansonsten die Vorgaben des Gesetzgebers zu den zeitlichen Grenzen der Geltendmachung solcher Ansprüche unterlaufen werden könnten.

Schadensersatzanspruch bei Inhaberpapieren

Ein Anspruch des Anlegers folgt schließlich nicht aus §§ 793, 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil er mit dem Erwerb der Schuldverschreibungen nicht zugleich Inhaber von (deshalb in ihren Voraussetzungen nicht weiter zu untersuchenden) Schadenersatzansprüchen des Ersterwerbers wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen geworden ist.

Inhalt und Umfang des Forderungsrechts aus § 793 BGB richten sich nach deutschem Sachrecht. Für die im Jahr 2006 emittierten Schuldverschreibungen ist (sachlich ohne Rücksicht auf ihren Art. 1 Abs. 2 Buchst. d gemäß Erwägungsgrund 45 im Verhältnis zum Vereinigten Königreich und zeitlich nach ihrem Art. 28) die Rom-I-VO6 nicht anwendbar; vielmehr gelten die Art. 27 ff. EGBGB in der bis zum 16.12 2009 maßgeblichen Fassung (im Folgenden: EGBGB aF). Aus Anhang F des Konditionenblatts (dort § 13 Abs. 1) ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit die Wahl deutschen Rechts nach § 27 Abs. 1 EGBGB aF7. Art. 37 Nr. 1 EGBGB aF stünde dem nicht entgegen, weil mit dieser Bestimmung nicht der in Art. 27 EGBGB aF kodifizierte Grundsatz der Privatautonomie ausgeschlossen werden sollte1.

Nach deutschem Sachrecht ist der zweite und weitere Inhaber einer Schuldverschreibung nicht automatisch Inhaber eines Anspruchs aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung bei Anbahnung des Begebungsvertrags. Nach allgemeinen Grundsätzen des deutschen Schuldrechts stehen zwar Sekundäransprüche, die aus der Verletzung des Leistungsinteresses resultieren, dem jeweiligen Inhaber des Forderungsrechts zu8. Ansprüche, die der Anleger aus einem Fehlverhalten der Emittentin im Vorfeld der Emission herleiten will und die daher vor Erwerb der Schuldverschreibungen durch den Anleger entstanden sind, werden aber, sofern sie, wozu der Anleger nicht vorträgt und das Berufungsgericht Feststellungen nicht getroffen hat, nicht ihrerseits aufgrund gesonderten Rechtsgeschäfts (mit) übertragen werden, mit dem Forderungsrecht nicht erworben9.

Störung der Geschäftsgrundlage bei Inhaberschuldverschreibungen

Das Forderungsrecht des Anlegers aus § 793 BGB ist einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB nicht zugänglich.

Zwar findet § 313 BGB als gesetzliche Ausformung des Grundsatzes, dass Leistungen so zu bewirken sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, grundsätzlich auf alle schuldrechtlichen Verträge Anwendung. Den regelmäßig inhaltlich abstrakten Inhaberschuldverschreibungen liegen als dogmatisches Grundmodell10 abstrakte Schuldversprechen zugrunde. Für abstrakte Schuldversprechen gilt § 313 BGB11.

Im konkreten Fall knüpft der Anleger die begehrte Vertragsanpassung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings nicht wie in der mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.05.201312 entschiedenen Konstellation an eine nachträgliche schwerwiegende Änderung der zur Grundlage des Forderungsrechts gewordenen Umstände im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, sondern gemäß § 313 Abs. 2 BGB an eine in ihrer Schwere vergleichbare anfängliche Fehlvorstellung der „Parteien des Schuldverschreibungsvertrags“ über die „ordnungsgemäße Verwaltung“ des Dach-Fonds „zum Zeitpunkt der Emission des Portfolios durch den Investmentmanager“ an. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen eines ursprünglichen Fehlens der subjektiven Geschäftsgrundlage nicht dargelegt:

Vorliegend versteht sich der Anleger als Inhaber der Schuldverschreibungen selbst als Partei des Schuldverschreibungsvertrags und will an seine eigene Fehlvorstellung über die Vertrauenswürdigkeit der Investmentmanagerin als Verwalterin des Dach-Fonds anknüpfen. Denn er begründet die Wesentlichkeit der „ordnungsgemäßen Verwaltung“ des Dach-Fonds als subjektiver Geschäftsgrundlage gemäß den Gründen des Berufungsurteils damit, er hätte auf einen Erwerb der Schuldverschreibungen verzichtet, sofern ihm die kriminellen Machenschaften des leitenden Mitarbeiters der Investmentmanagerin bekannt gewesen wären.

Dieser Rekurs auf die Vorstellungen des Anlegers ergibt indessen, wie mit dem Hinweis auf das Fehlen zureichender vertraglicher Beziehungen zwischen der Emittentin und (ex ante anonymen) Folgeerwerbern der Schuldverschreibungen im Ergebnis zu Recht eingewendet wird, schlüssig einen gemeinschaftlichen Irrtum mit der Emittentin bei Begründung des Forderungsrechts nicht. Die Emittentin bildete eine Fehlvorstellung bei Abschluss des Begebungsvertrags nicht im Verein mit dem Anleger, der weder nach seinem eigenen Vortrag noch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Vertragspartei des Begebungsvertrags geworden ist. Ein Irrtum des Anlegers bei Abschluss des Erwerbsgeschäfts, von dem er nicht behauptet und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, die Emittentin sei daran beteiligt gewesen, war ebenfalls kein gemeinsamer mit der Emittentin. Dass die Parteien aufgrund des abgeleiteten Erwerbs des Anlegers nunmehr als Gläubiger und Schuldner eines Anspruchs aus § 793 BGB schuldrechtlich miteinander verbunden sind, führt nicht dazu, dass etwaige inhaltsgleiche Irrtümer bei der ursprünglich auf ganz unterschiedliche Rechtsgeschäfte bezogenen Willensbildung zu einem gemeinschaftlichen Irrtum im Sinne des § 313 Abs. 2 BGB würden. Es bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung, inwieweit die Überlegungen des Berufungsgerichts zu den sonstigen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 313 Abs. 1 und 2 BGB einer revisionsrechtlichen Überprüfung standzuhalten vermöchten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Juli 2014 – XI ZR 100/13

  1. vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1993 – XI ZR 200/92, WM 1993, 2119[][]
  2. Verordnung [EG] Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU 2007 Nr. L 199 S. 40[]
  3. vgl. Mankowski, CR 1999, 512, 520[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 125/06, WM 2007, 1503 Rn. 26; Urteil vom 11.04.2013 – III ZR 79/12, WM 2013, 1016 Rn. 34[]
  5. vgl. Bartz in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2. Aufl., § 58 Rn. 35 und 114; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, 2006, Rn. 411; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991, § 2 Rn. 41 aE[]
  6. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU 2008 Nr. L 177 S. 6[]
  7. vgl. Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, 2006, Rn. 312[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2013 – V ZR 47/12, BGHZ 197, 155 Rn. 9; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 398 Rn.19[]
  9. vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 401 Rn. 6; BGB-RGRK/Weber, 12. Aufl., § 401 Rn. 25; Seetzen, AcP 169 [1969], 352, 353 f.; ders., MDR 1970, 809 f.[]
  10. Staudinger/Marburger, BGB, Neubearb.2009, § 780 Rn. 36[]
  11. BGH, Urteil vom 28.05.2013 – II ZR 67/12, BGHZ 197, 284 Rn. 25 ff. [zu Genussscheinen]; Urteil vom 23.09.1976 – III ZR 119/74, WM 1976, 1352, 1353; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 313 Rn. 7[]
  12. BGH, Urteil vom 28.05.2013 – II ZR 67/12, BGHZ 197, 284 Rn. 25 ff.[]