Ratenschutz-Versicherung – und der Riskoausschluss

In einer Ratenschutz-Versicherung ist die Klausel des § 6 AVB-RSV intransparent.

Damit beurteilt der Bundesgerichtshof die nachfolgende Klausel als unwirksam:

Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf die der versicherten Person bekannten ernstlichen Erkrankungen (das sind Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs, der Wirbelsäule und Gelenke, der Verdauungsorgane, Krebs, HIV-Infektion/Aids, chronische Erkrankungen) oder Unfallfolgen, wegen derer die versicherte Person in den letzten zwölf Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes ärztlich behandelt wurde.

Diese Einschränkung gilt nur, wenn der Versicherungsfall binnen der ersten 24 Monate nach Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Erkrankungen oder Unfallfolgen in ursächlichem Zusammenhang steht.

§ 6 AVB-RSV ist unwirksam. Die Regelung benachteiligt die Versicherten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen1. Liegt – wie hier – ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an2.

Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen (AVB) gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den auch hier maßgeblichen durchschnittlichen Versicherungsnehmer oder Versicherten verständlich ist. Vielmehr gebieten es Treu und Glauben, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann3. Wird der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer oder Versicherten deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel noch besteht4. Diesen Erfordernissen entspricht die hier verwende Klausel nicht; der durchschnittliche Versicherte kann ihr nicht hinreichend klar entnehmen, was noch versichert ist.

Die beanstandete Ausschlussklausel schließt die für schicksalhafte Ereignisse wie Tod, Arbeits- oder Berufsunfähigkeit versprochene Versicherungsleistung bei Vorliegen der bedingungsgemäßen Voraussetzungen insgesamt aus.

Ausschlussgrund sollen sämtliche dem Versicherten bekannte „ernstliche Erkrankungen” sein. Da der Leistungsausschluss weiter voraussetzt, dass diese Erkrankungen den Versicherungsfall herbeigeführt haben müssen, lässt sich zwar noch erkennen, dass folgenlose Bagatellerkrankungen nicht erfasst sein können. Im Übrigen fordert die Klausel aber wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt vom Versicherten eine Einstufung bekannter Erkrankungen als „ernstlich“, ohne ihm klare Kriterien für diese Bewertung zu geben. Der durchschnittliche Versicherte wird damit im Zeitpunkt seiner Beitrittserklärung nicht in die Lage versetzt, für seinen konkreten Einzelfall zu erkennen, welche Erkrankungen vom Ausschluss erfasst werden sollen5 und in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangen kann. Er wird sich durch den Klauselwortlaut aufgerufen fühlen, eine Unterscheidung zwischen ernstlichen und nicht ernstlichen, mithin leichten Erkrankungen zu treffen und eingedenk des Vertragszwecks als ernstlich zunächst solche Erkrankungen ansehen, denen ein erhöhtes Risiko innewohnt, einen Versicherungsfall das kann je nach vereinbartem Versicherungsschutz Tod, Arbeitsunfähigkeit oder eine krankheitsbedingte Leistungseinschränkung sein herbeizuführen. In diesem vertragszweckorientierten Verständnis der Ausschlussklausel wird der Versicherte durch die im Klammerzusatz aufgeführten Krankheiten nicht unterstützt sondern verunsichert; denn dort werden neben lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs oder Aids auch Erkrankungen aufgezählt, mit denen ein höheres Risiko, den Versicherungsfall herbeizuführen, nicht ohne weiteres sondern nur unter besonderen Umständen einhergeht, etwa Erkrankungen des Kreislaufs, der Wirbelsäule, der Gelenke, der Verdauungsorgane oder auch chronische Erkrankungen. Unter die letztgenannten lassen sich sowohl für das versicherte Risiko potentiell gefährliche wie auch unbedeutende Erkrankungen einordnen.

Wie das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg6 zutreffend dargelegt hat, stellt diese Aufzählung von Krankheiten den Versicherten vor die Frage, ob sie eine Auslegungshilfe in Form von Regelbeispielen darstellen soll, die ihn nicht davon enthebt, innerhalb der beispielhaft genannten Erkrankungen soweit es sich nicht um solche evident das Leben oder die körperliche Leistungsfähigkeit bedrohliche handelt weiterhin deren Ernstlichkeit zu bewerten oder ob wie die Versicherung geltend macht die aufgeführten Erkrankungen als abgeschlossener Katalog „ernstliche Erkrankungen“ definieren sollen. Für die letztgenannte Auslegung kann zwar sprechen, dass die Liste anders als in Fällen, die bisher Gegenstand von Entscheidungen der Oberlandesgerichte waren7, keine ausdrückliche Formulierung (etwa „z.B.“) enthält, die auf eine Aufzählung bloßer Regelbeispiele hindeutet. Dagegen spricht aber, dass der allgemeine Sprachgebrauch nicht jede Erkrankung – etwa des Kreislaufs, der Gelenke oder der Verdauungsorgane – als „ernstlich“ bezeichnet, weil dazu auch weit verbreitete Beschwerden (etwa zu niedriger oder zu hoher Blutdruck, sportbedingte Gelenkläsionen, Sodbrennen, gelegentliche Übelkeit usw.) zählen, denen der durchschnittliche Versicherte mit Blick auf den Vertragszweck keine Bedeutung beimessen und deshalb die Annahme verwerfen wird, alle aufgezählten Erkrankungen seien „per se“ ernstlich im Sinne des Leistungsausschlusses. Dem an Versicherungsschutz interessierten Kreditnehmer wird auch nicht einleuchten, weshalb eine harmlose, mit nur gelegentlichen und leichten Beschwerden einhergehende Beeinträchtigung der aufgezählten Körperregionen seinen Versicherungsschutz gefährden können soll.

Die Versicherung meint allerdings, die Ernstlichkeit einer Erkrankung erweise sich auch daran, dass die Erkrankung wie der Leistungsausschluss weiter voraussetze in der Lage sein müsse, den Versicherungsfall herbeizuführen. Eine solche nach Eintritt des Versicherungsfalls rückblickende Betrachtung vermag die Leistungsausschlussklausel aber nicht transparent zu machen. Selbst für sich genommen harmlose Erkrankungen können bei einer Verkettung unglücklicher Umstände im Einzelfall zu schweren körperlichen Schäden führen.

Das Transparenzgebot verlangt, dass die Leistungsausschlussklausel dem Versicherten bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder hier seiner Beitrittserklärung vor Augen führt, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Erkrankungen den Versicherungsschutz gefährden, wenn sie bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles mitwirken. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Für die von der Ausschlussklausel ebenfalls angesprochenen Unfallfolgen gilt nichts anderes.

Auch hier lässt die Klausel den Versicherten im Unklaren darüber, ob jegliche Unfallfolge dem Versicherungsschutz entgegenstehen kann oder er vorhandene Unfallfolgen mit Blick auf den Vertragszweck gewichten und als ernstlich oder leicht/unbedeutend einstufen muss. Der Aufbau der Klausel, in der zuerst die mit Klammerzusatz erläuterten ernstlichen Erkrankungen, sodann nach einer „oder“-Verknüpfung die Unfallfolgen genannt sind, an die sich mit einem Relativsatz das Erfordernis ärztlicher Behandlung binnen zurückliegender zwölf Monate anschließt, kann dem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten zwar die Auslegung nahelegen, die Bedeutung einer Erkrankung für den Versicherungsschutz im Sinne ihrer Ernstlichkeit werde durch die Aufzählung möglicher Erkrankungen im Klammerzusatz erläutert, während sich die Bedeutung einer Unfallfolge allein aus deren ärztlicher Behandlung im genannten Zeitraum ergeben soll. Danach bezöge sich das Behandlungserfordernis allein auf Unfallfolgen. Klar ist das aber nicht, weil der Klauselwortlaut es ebenso ermöglicht, das Behandlungserfordernis sowohl auf Krankheiten als auch auf Unfallfolgen zu beziehen.

Es tritt hinzu, dass der Versicherte den Zwölf-Monats-Zeitraum nicht festzulegen vermag, binnen dessen eine ärztliche Behandlung erfolgt sein muss.

Nach dem Klauselwortlaut errechnet sich dieser Zeitraum nicht ab dem dem Versicherten bekannten Zeitpunkt der Abgabe der Beitrittserklärung, sondern ab dem Beginn des Versicherungsschutzes. Diesen Zeitpunkt, der gemäß § 3 AVB-RSV seinerseits vom Zeitpunkt der Darlehensauszahlung abhängt und frühestens zwei Monate vor Fälligkeit der ersten Darlehensrate einsetzt, kann der Versicherte im Zeitpunkt seiner Beitrittserklärung noch nicht bestimmen. Er kann deshalb beispielsweise nicht erkennen, ob eine Unfallfolge, deretwegen er einmalig elf Monate vor seiner Beitrittserklärung in ärztlicher Behandlung war, seinen Versicherungsschutz gefährdet.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 289/13

  1. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 21.05.2003 – IV ZR 327/02, WM 2003, 1363 unter 2 a; vom 26.09.2007 – IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 11[]
  2. vgl. etwa für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: BGH, Urteil vom 12.01.2011 – IV ZR 118/10, VersR 2011, 611 Rn. 11 m.w.N.; für die Rechtsschutzversicherung von Gewerkschaftsmitgliedern: BGH, Urteil vom 08.05.2013 – IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 40 m.w.N.[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2007 – IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 16 m.w.N.[]
  4. BGH, Urteile vom 08.05.2013 – IV ZR 84/12, r+s 2013, 601 Rn. 9; vom 08.05.2013 – IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 40, 41; vom 22.11.2000 – IV ZR 235/99, r+s 2001, 124 unter – II 2 a m.w.N.[]
  5. vgl. OLG Düsseldorf VersR 2000, 1093, 1094[]
  6. OLG Hamburg, Urteil vom 15.07.2013 – 9 U 157/12[]
  7. vgl. OLG Dresden VersR 2006, 61, 62; OLG Braunschweig VersR 2007, 1071; OLG Koblenz VersR 2008, 383, 385[]